Byzantinistik

Die Byzantinistik ist ein interdisziplinärer Wissenschaftszweig, der sich mit Geschichte, Kultur, Religion, Kunst, Literatur, Wissenschaft, Wirtschaft und Politik des Byzantinischen Reichs beschäftigt. Als Begründer der Byzantinistik gilt der deutsche Philologe Hieronymus Wolf, ein Humanist der Renaissancezeit, der rund 100 Jahre nach der endgültigen Eroberung von Byzanz durch die Osmanen damit begann, Schriften byzantinischer Philosophen zu sammeln, zu übersetzen und zu veröffentlichen. Der erste Neogräzist und Sprachwissenschaftler, der auch als Byzantinist anzusehen ist, war Karl Krumbacher.

Definition
Byzantinistik (Byzantinologie) ist diejenige Wissenschaft, die sich mit der Geschichte und Kultur von Byzanz beschäftigt (Byzanz ↔ Byzantinisches Reich, griechisches Mittelalter; Byzanz = Konstantinopel [als Hauptstadt des Byzantinischen Reiches]). Dabei stehen der Einheitlichkeit des Untersuchungsobjekts „Byzanz“ vielfältige Betrachtungsweisen (= Einzeldisziplinen, Spezialfächer) gegenüber. – „Byzantinische“ Forschungen gab es dabei schon im hochmittelalterlichen byzantinischen Reich. Im späten Mittelalter war das Interesse an Byzanz durch den italienischen Humanismus gegeben (originale griechische Quellen) und verbreitete sich – besonders im 17. Jahrhundert – über ganz Europa und Russland. Das späte 19. und das 20. Jahrhundert brachten dann die Formierung der Byzantinistik als eigenständige Wissenschaft.

Byzanz
Griechisch-hellenistische Kultur, römische Staatstradition, orientalische Einflüsse und christlicher Glaube bei einer relativen Einheitlichkeit von Sprache und Kultur machen Byzanz im Mittelalter aus. Als Ausgangspunkt byzantinischer Geschichte gilt dabei meist die Regierungszeit Konstantins des Großen (306–337) und die Gründung Konstantinopels (330). Spätestens mit der faktischen Teilung des Römischen Reiches in ein West- und ein Ostreich (sog. Reichsteilung von 395) beginnt die oströmische bzw. spätantike Phase von Byzanz (frühbyzantinische Zeit bis etwa 641), die nicht nur von Byzantinisten, sondern auch von Althistorikern bearbeitet wird. Kaiser Justinian (I.) (527–565) eroberte Italien, Afrika und Südspanien zurück, doch blieb nach dem gewaltsamen Eindringen des Islam (634/98) ein durch die Themenverfassung reorganisiertes Byzanz nur noch auf die griechisch sprechenden Gebiete Griechenland, Kleinasien und Süditalien beschränkt; Latein wurde unter Herakleios als Amtssprache aufgegeben, ebenso die alte römische Kaisertitulatur.
Damit kam das Ende der Antike, und die mittelbyzantinische Zeit begann. Sie war auch die Epoche des Ikonoklasmus (717–843) und die Zeit der Entstehung des westlichen Kaisertums (800). Unter der Makedonischen Dynastie (10./11. Jahrhundert) gewann Byzanz wieder an Macht gegen Islam und Bulgaren, doch bedeutete der Tod Kaiser Basileios II. (976–1025) einen Wendepunkt, die Niederlage von Mantzikert (1071) den Zusammenbruch byzantinischer Macht in Asien (Seldschuken) und Süditalien (Normannen). Eine gewisse Stabilisierung konnte – bei gleichzeitiger westlicher Kreuzzugsbewegung (1096–1099, 1147–1149, 1189–1192) – unter dem Komnenen erreicht werden – zumindest bis zur Schlacht bei Myriokephalon (1176). Innere Auseinandersetzungen begünstigten in der Folge die Eroberung Konstantinopels durch die Kreuzfahrer (4. Kreuzzug, 1204) und die Errichtung lateinischer Staaten in Griechenland.
Mit den Palaiologen und der Rückeroberung Konstantinopels (1261) beginnt die Spätphase des byzantinischen Reiches als Kleinstaat, der besonders bedroht wurde durch das Vordringen der Osmanen (ab 1300) und den wirtschaftlichen Einfluss Venedigs und Genuas (spätbyzantinische Zeit). Ein unter anderem durch Bürgerkriege geschwächtes Reich musste schließlich vor den Türken kapitulieren (Eroberung Konstantinopels 1453, Mistras 1461). Erwähnt werden sollte noch das im Zuge des 4. Kreuzzugs entstandene komnenische Kaiserreich Trapezunt (1204–1461).

Sprache
Die Sprachstufe der Byzantinischen Zeit ist die mittelgriechische Sprache. Drei Sprachschichten des Mittelgriechischen sind feststellbar: Attizismus (attische Literatursprache), Koine (hellenistische Gemeinsprache), Dimotiki (neugriechische Volkssprache), wobei zwischen dem gesprochenen Griechisch und der schriftlichen, klassischen Tradition unterschieden werden muss.
Aus der reichhaltigen byzantinischen Überlieferung ist zunächst die Geschichtsschreibung mit den Gattungen „zeitgeschichtliche Monographie“ (historia, v. a. in der Spätantike verbreitet, siehe Prokopios von Caesarea, Agathias u. a.) und „Chronik“ zu nennen (Johannes Malalas [6. Jahrhundert]; Georgios Synkellos, Nikephoros, Theophanes [8./9. Jahrhundert]; Georgios Monachos [9. Jahrhundert]; Konstantin VII. Porphyrogennetos, Leon Diakonos [10. Jahrhundert]; Michael Psellos [10./11. Jahrhundert]; Johannes Skylitzes, Johannes Zonaras [12. Jahrhundert]; Michael Glykas Sikidites, Niketas Choniates [12./13. Jahrhundert]; Georgios Akropolites [13. Jahrhundert]; Georgios Pachymeres [13./14. Jahrhundert]; Johannes VI. Kantakuzenos [14. Jahrhundert]; Georgios Sphrantzes [15. Jahrhundert]).
Hagiographische Schriften sind die Lebensbeschreibung (bios) und die Lobrede (egkomion); hagiographische Sammlungen sind die menaia und sinaxaria. Zu den sogenannten Gelegenheitswerken gehören Briefe, Reden, Gedichte (Rhetorik, Panegyrik), auch im kirchlichen Bereich. Aus dem Bereich der byzantinischen Verwaltung im weitesten Sinne kennen wir auch Völker- und Städteverzeichnisse sowie Werke über Hofzeremonien und Ranglisten. Fachwissenschaftliche Werke sind unter anderem die strategischen Schriften. Weltliche und kirchliche Rechtstexte sind ebenfalls noch zu nennen, daneben im kirchlichen Bereich Patriarchatskataloge der Bistümer, im weltlichen und kirchlichen Urkunden und Akten (s. u. Diplomatik). Die volkssprachliche Literatur ist in dem Versepos Digenis Akritas aus dem 12. Jahrhundert erstmals schriftlich belegt. (Quelle: Wikipedia)

Ergebnisse 1 – 27 von 199 werden angezeigt

Schaltfläche "Zurück zum Anfang"
Unabhängig geprüft
472 Rezensionen